Lutz Heßlich

Lutz Heßlich
Lutz Heßlich (2014)
Lutz Heßlich (2014)
Zur Person
Geburtsdatum 17. Januar 1959
Nation Deutschland Demokratische Republik 1949 Deutsche Demokratische Republik
Disziplin Bahn (Kurzzeit)
Karriereende 1988
Wichtigste Erfolge
Olympische Spiele
1980, 1988 * Gold – Sprint
UCI-Bahn-Weltmeisterschaften (Amateure)
1979, 1983, 1985, 1987 Regenbogentrikot – Sprint
Letzte Aktualisierung: 14. September 2019
Lutz Heßlich (M.) als DDR-Meister im Sprint 1988 zwischen Michael Hübner (l.) und Bill Huck
Straße der Medaillengewinner vor dem Rathaus Cottbus mit goldener Medaille für Heßlich
Fahrradfachgeschäft von Lutz Heßlich im Erdgeschoss

Lutz Heßlich (* 17. Januar 1959 in Ortrand, Kreis Senftenberg) ist ein ehemaliger deutscher Bahnradsportler.

Radsport-Laufbahn

Lutz Heßlich spielte zunächst Fußball bei der TSG Tettau, Radfahren lernte er mit sieben Jahren, vor allem, um den Schulweg von seinem Wohnort zur Schule zurücklegen zu können. Er kam zum ersten Mal mit dem Radsport in Berührung, als an seiner Schule ein Vorentscheid zur „Kleinen Friedensfahrt“ stattfand, den er auf Anhieb gewann. Daraufhin sprach ihn Wilfried Schulz (damals Radsporttrainer der BSG Aktivist Lauchhammer) an und versuchte, ihn für ein systematisches Training im Verein zu begeistern. Er trat der Gemeinschaft bei und trainierte wie seine Gemeinschaftskameraden vor allem auf der Straße.[1]

Lutz Heßlich begann auf diesem Weg 1968 bei der BSG Aktivist Lauchhammer mit dem organisierten Radsport und wechselte 1972 auf die Kinder- und Jugendsportschule nach Cottbus.[2] An der KJS war er zunächst Mitglied in der Trainingsgruppe von Eberhard Pöschke, der auch Bernd Drogan und Hans-Joachim Hartnick an die Weltspitze führte. Auf Dauer waren ihm die Straßenrennen nach eigener Aussage jedoch zu lang[3] und er wechselte mit 15 Jahren in die Bahnradsporttrainingsgruppe für Kurzzeitdisziplinen bei Gerd Müller. Hier entwickelte er sich beim SC Cottbus unter seinem Trainer Gerd Müller zu einem der bekanntesten Radrennfahrer der DDR und der Welt. 1976 und 1977 wurde er Weltmeister der Junioren im Bahnsprint. Direkt im Anschluss an die 1977er Junioren-Weltmeisterschaft nominierte ihn Verbandstrainer Dieter Hermann für die UCI-Weltmeisterschaft in San Cristobal bei den Männern.[4] Er startete an der Seite von Jürgen Geschke (der nach eigener Aussage sein Vorbild war)[1] und Emanuel Raasch. Er sollte die Teilnahme ursprünglich nutzen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Lutz Heßlich fuhr ein furioses Turnier und gewann bei seinem ersten WM-Start die Bronzemedaille hinter Geschke und Raasch. Auf diese Leistung war er noch Jahre später besonders stolz.[4]

Es gelang ihm, im Abstand von acht Jahren jeweils eine olympische Goldmedaille im Sprint zu gewinnen, er siegte 1980 in Moskau im Sprint sowie 1988 in Seoul erneut im Sprint. Daniel Morelon bezeichnete ihn nach dem Olympiasieg von Seoul als den besten Sprinter des Jahrhunderts.[1] Allein sechs Mal siegte er beim renommierten Sprint-Klassiker Grand Prix de Paris. Den Grand Prix Aeroflot konnte er neunmal gewinnen. 1985 gewann er den Grand Prix de Reims, einen der ältesten Wettkämpfe für Bahnsprinter in Frankreich.

Die Olympiateilnahme 1984 blieb ihm verwehrt. Bei den Wettkämpfen der Freundschaft, der Gegenveranstaltung der Olympia-boykottierenden Ostblockländer, erreichte Heßlich als Erster mit 9,98 s eine Zeit unter zehn Sekunden, der Rekord wurde allerdings nicht offiziell anerkannt. Die Unterbietung der 10-Sekunden-Grenze betrachtete er noch nach Jahren als eine seiner wertvollsten Leistungen: „Alles, sogar Olympiasieger kann man öfter werden, aber es gibt nur einen Menschen, der als erster unter dieser Marke bleibt.“[5] Die 9,98 Sekunden entsprachen einer Geschwindigkeit von etwas über 72 Kilometern pro Stunde. Elfmal gewann er den Großen Preis der DDR im Sprint. Siebenmal war er beim Großen Preis der sozialistischen Länder (einer Wettkampfserie mit Rennen in der DDR, in Tschechien, in Polen und in der Sowjetunion) erfolgreich.

Nach Abschluss seiner Karriere im Jahr 1988 (die er aus gesundheitlichen Gründen beendete)[6] wurde Heßlich 1990 persönliches Mitglied im Nationalen Olympischen Komitee der DDR, nach der Wiedervereinigung Mitglied im Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland. Nach seinem Rücktritt trat er nach der politischen Wende in Cottbus noch einmal für ein Abschiedsrennen Rad an.[7]

Trivia

Sein persönlicher Rekord bei einem Stehversuch liegt bei 11 Minuten und 30 Sekunden, während eines Rennens gegen seinen Club-Kameraden und späteren Bundestrainer Detlef Uibel.[8]

Privates und Berufliches

Lutz Heßlich hat ein Sportlehrerstudium abgeschlossen und hätte nach Beendigung seiner Laufbahn die Möglichkeit gehabt, in Cottbus als Trainer zu arbeiten. Dies erschien ihm in Zeiten des Umbruchs in der DDR als zu unsicher und er eröffnete 1990 zunächst ein und später ein weiteres Fahrradgeschäft in Cottbus.[9]

Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Cottbus. Sein Sohn Nico (* 1990) war bis 2018 ebenfalls erfolgreich als Bahnradsportler aktiv.

Heßlich ist ein Urenkel des Schrittmachers Walter Heßlich; dieser führte u. a. den niederländischen Weltmeister Piet Dickentman. Er verunglückte tödlich 1951 beim Training auf der Radrennbahn Andreasried in Erfurt.[10] Auch dessen älterer Bruder Willi war als Schrittmacher aktiv.

Erfolge

1976
  • Regenbogentrikot Junioren-Weltmeister – Sprint
1977
1978
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint
  • Grand Prix de Paris (Amateure)
1979
  • Regenbogentrikot Amateur-Weltmeister – Sprint
  • Grand Prix de Paris (Amateure)
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint
1980
  • Gold Olympiasieger – Sprint
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint
1981
1982
1983
  • Regenbogentrikot Amateur-Weltmeister – Sprint
  • Grand Prix de Paris (Amateure)
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint
1984
  • Goldmedaille Wettkämpfe der Freundschaft – Sprint
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint
1985
  • Regenbogentrikot Amateur-Weltmeister – Sprint
  • Grand Prix de Paris (Amateure)
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint
1986
1987
  • Regenbogentrikot Amateur-Weltmeister – Sprint
  • Grand Prix de Paris (Amateure)
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint
1988
  • Gold Olympiasieger – Sprint
  • Grand Prix de Paris (Amateure)
  • Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR-Meister – Sprint

Auszeichnungen (Auswahl)

Literatur

  • Kurzbiografie zu: Hesslich, Lutz. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Weblinks

Commons: Lutz Heßlich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Lutz Heßlich in der Datenbank von Radsportseiten.net
  • Lutz Heßlich in der Datenbank von Olympedia.org (englisch)
  • Daniel Friedrich: Olympiagold vor 30 Jahren: „Ich wollte den Erfolg“. In: lr-online.de. 23. September 2018, abgerufen am 14. September 2019. 
  • Die Rekordfahrt Heßlichs 1984 auf youtube.com

Einzelnachweise

  1. a b c Deutsches Sportecho. Sportverlag, Berlin 6. Februar 1978, S. 3. 
  2. Doppel-Olympiasieger Lutz Heßlich wird 50 - Popularität ungebrochen (Memento vom 3. August 2016 im Internet Archive) Märkische Oderzeitung 16. Januar 2009
  3. Junge Welt. Berlin 27. August 1987, S. 8. 
  4. a b Olympia-Kämpfer erzählen von Höhepunkten und Alltäglichem. Sportverlag, Berlin 1983, S. 68. 
  5. Deutsches Sportecho. Sportverlag, Berlin 3. September 1984, S. 3. 
  6. Velo. Nr. 2. Schweiz 1995, S. 12–13. 
  7. Volker Kluge: Das große Lexikon der DDR-Sportler. Die 1000 erfolgreichsten und populärsten Sportlerinnen und Sportler aus der DDR, ihre Erfolge und Biographien. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2000, ISBN 3-89602-348-9, S. 155.
  8. Junge Welt. Berlin 24. August 1987, S. 8. 
  9. Fahrradcenter Lutz Heßlich
  10. Steher, Stars und Sensationen: Seit 1885 Andreasried Erfurt, Broschüre, S. 27
Olympiasieger im Bahnradsprint

1896: Dritte Französische Republik Paul Masson | 1900: Dritte Französische Republik Albert Taillandier | 1920: NiederlandeNiederlande Maurice Peeters | 1924: Dritte Französische Republik Lucien Michard | 1928: Dritte Französische Republik Roger Beaufrand | 1932: NiederlandeNiederlande Jacobus van Egmond | 1936: Deutsches Reich NS Toni Merkens | 1948: Italien Mario Ghella | 1952: Italien Enzo Sacchi | 1956: Frankreich 1946 Michel Rousseau | 1960: Italien Sante Gaiardoni | 1964: Italien Giovanni Pettenella | 1968: FrankreichFrankreich Daniel Morelon | 1972: FrankreichFrankreich Daniel Morelon | 1976: Tschechoslowakei Anton Tkáč | 1980: Deutschland Demokratische Republik 1949 Lutz Heßlich | 1984: Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Mark Gorski | 1988: Deutschland Demokratische Republik 1949 Lutz Heßlich | 1992: Deutschland Jens Fiedler | 1996: Deutschland Jens Fiedler | 2000: Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Marty Nothstein | 2004: AustralienAustralien Ryan Bayley | 2008: Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Chris Hoy | 2012: Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Jason Kenny | 2016: Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Jason Kenny| 2020: NiederlandeNiederlande Harrie Lavreysen

Liste der Olympiasieger im Radsport

Weltmeister im Sprint (Amateure)

1893 Arthur A. Zimmerman | 1894 August Lehr | 1895 Jaap Eden | 1896 Harry Reynolds | 1897 Edwin Schrader | 1898 Paul Albert | 1899 Thomas Summersgill | 1900 Alphonse Didier-Nauts | 1901 Émile Maitrot | 1902 Charles Piard | 1903 Arthur L. Reed | 1904 Marcus Hurley | 1905 Jimmy S. Benyon | 1906 Francesco Verri | 1907 Jean Devoissoux | 1908 Victor Johnson | 1909, 1910, 1911, 1913 William Bailey | 1912 Donald McDougall | 1914–1919 nicht ausgetragen | 1920 Maurice Peeters | 1921 Henry Brask Andersen | 1922 Thomas Johnson | 1923, 1924 Lucien Michard | 1925 Jaap Meijer | 1926 Avanti Martinetti | 1927 Mathias Engel | 1928 Willy Falck Hansen | 1929 Antoine Mazairac | 1930 Louis Gérardin | 1931 Helge Harder | 1932 Albert Richter | 1933 Jacobus van Egmond | 1934 Benedetto Pola | 1935 Toni Merkens | 1936 Arie van Vliet | 1937, 1938 Jef van de Vijver | 1939 Jan Derksen | 1940–1945 nicht ausgetragen | 1946 Oscar Plattner ;| 1947 Reginald Harris | 1948 Mario Ghella | 1949 Sydney Patterson | 1950 Maurice Verdeun | 1951, 1952 Enzo Sacchi | 1953 Marino Morettini | 1954 Cyril Peacock | 1955 Giuseppe Ogna | 1956, 1957 Michel Rousseau | 1958, 1959 Valentino Gasparella | 1960 Sante Gaiardoni | 1961, 1962 Sergio Bianchetto | 1963 Patrick Sercu | 1964 Pierre Trentin | 1965 Omar Pchakadse | 1966, 1967, 1969, 1970, 1971, 1973, 1975 Daniel Morelon | 1968 Luigi Borghetti | 1972 nicht ausgetragen | 1974, 1978 Anton Tkáč | 1976 nicht ausgetragen | 1977 Jürgen Geschke | 1979, 1983, 1985, 1987 Lutz Heßlich | 1980 nicht ausgetragen | 1981, 1982 Sergei Kopylow | 1984 nicht ausgetragen | 1986 Michael Hübner | 1988 nicht ausgetragen | 1989, 1990 Bill Huck | 1991 Jens Fiedler

(anschließend wurde die Trennung zwischen Amateuren und Profis aufgehoben. Weitere Resultate unter Weltmeister im Sprint)

DDR-Meister im Sprint

1949 Bruno Zieger | 1950 Heinz Rothmund | 1951, 1954 Rolf Nitzsche | 1952 Heinz Drescher | 1953 Werner Malitz | 1955, 1956, 1961 Jürgen Simon | 1957, 1958 Lothar Stäber | 1959, 1960 Karl-Heinz Peter | 1962 Günter Weihe | 1963 Rainer Marx | 1964, 1966–1971, 1973–1975 Jürgen Geschke | 1965 Hans-Jürgen Klunker | 1972, 1976 Peter Eichstädt | 1977 Emanuel Raasch | 1978–1980, 1982–1988 Lutz Heßlich | 1981, 1989 Michael Hübner

Personendaten
NAME Heßlich, Lutz
KURZBESCHREIBUNG deutscher Bahnradsportler
GEBURTSDATUM 17. Januar 1959
GEBURTSORT Ortrand